Rassismus in der Schweiz – Moderatorin Angélique Beldner über Alltagsrassismus | Reportage | SRF

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https://www.youtube.com/watch?v=9t92aF1w3zY

Résumé

TLDRDer Beitrag beleuchtet die Erfahrungen von Angélique Beldner, der ersten schwarzen Nachrichtenmoderatorin des Schweizer Fernsehens, die nach dem Ausbruch der Black Lives Matter-Bewegung ihr Schweigen über Rassismus bricht. Beldner spricht über ihre Kindheit in einer weißen Umgebung, die Herausforderungen, mit ihrer Identität umzugehen, und die Schwierigkeiten, die sie bei ihrer Arbeit im Fernsehen hatte. Sie reflektiert über die gesellschaftlichen Stereotypen und Rassismus in der Schweiz und die Notwendigkeit, diese Themen offen anzusprechen, um Fortschritt zu erzielen. Das Verstecken der eigenen Identität und das Streben nach Anpassung waren prägend für ihr Leben, und sie betont, dass dies nicht länger die Lösung sein kann.

A retenir

  • 📰 Angélique Beldner ist die erste schwarze Nachrichtenmoderatorin der Schweiz.
  • 🌍 Der Sommer 2020 hat Beldners Sicht auf Rassismus verändert.
  • 🙊 Viele Menschen sprechen Rassismus nicht offen an.
  • 💬 Beldner geht mit ihrer Hautfarbe und ihrer Identität offen um.
  • 🤝 Diskussion über Rassismus ist notwendig, um Veränderungen herbeizuführen.

Chronologie

  • 00:00:00 - 00:05:00

    Eine faszinierende Auseinandersetzung mit Rassismus und Identität wird in einer Sendung über Angélique Beldner, die erste schwarze Nachrichten-Moderatorin des Schweizer Fernsehens, präsentiert. Trotz ihrer bemerkenswerten Karriere widersetzt sich Angélique der gesellschaftlichen Erwartung und spricht offen über ihre Erfahrungen als schwarze Frau in einem überwiegend weißen Umfeld.

  • 00:05:00 - 00:10:00

    Der Sommer 2020 und die weltweite Black Lives Matter Bewegung haben Angélique dazu gebracht, den Rückzug aus der Diskussion über Rassismus zu überdenken. Sie erkennt, dass ihr früheres Schweigen nicht mehr tragbar ist. Diese Zeit der Reflexion lässt sie an ihre Kindheit und die Dynamiken in ihrer Familie zurückdenken, welche die Rassismusfrage nie offen ansprachen.

  • 00:10:00 - 00:15:00

    Angélique erinnert sich an die enge Beziehung zu ihrer Großtante und deren Tochter, die sie in ihrer Kindheit unterstützten. In dieser sicheren Familie wurde Rassismus ignoriert, jedoch stellt sich die Frage, ob dies für Angélique letztlich hilfreich war oder ob es mehr Verständnis für ihre eigenen Identitätskonflikte hätte fördern sollen.

  • 00:15:00 - 00:20:00

    Die Betrachtung ihrer Herkunft offenbart, dass Angélique sich von ihrer Vergangenheit und ihrer Familie distanzierte, besonders von ihrem Vater, der in Paris lebte. Sie reflektiert darüber, wie wichtig der Beruf des Vaters für die Wahrnehmung von Migranten in ihrem Dorf war und wie sie in einem weißen Umfeld aufwuchs, das sie zu einer Anpassung antrieb.

  • 00:20:00 - 00:25:00

    Die Diskussion um Begriffe wie 'Mohrenkopf' zeigt die Differenzen in der Gesellschaft und wie Sprache Verletzungen hervorrufen kann. Angélique und ihre Umstehenden versuchen, die Nuancen von Rassismus und der Bedeutung der Worte zu begreifen, wobei ihre persönlichen Erfahrungen durchaus auf Widerstand stoßen.

  • 00:25:00 - 00:33:05

    Im Gespräch mit erfahrenen Journalisten und Aktivisten beschreibt Angélique die Herausforderungen, die sie im Beruf und als schwarze Frau erlebt hat. Diese Gespräche und der Austausch mit ihrer Familie verdeutlichen, dass es einen langen Weg gibt, um Rassismus aus der Gesellschaft zu verbannen und dass offenes Sprechen unumgänglich ist. Ihre Reise zeigt die Komplexität, eine eigene Stimme zu finden und für sich selbst und andere zu kämpfen.

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Vidéo Q&R

  • Wer ist Angélique Beldner?

    Angélique Beldner ist die erste schwarze Nachrichtenmoderatorin des Schweizer Fernsehens.

  • Was hat Angélique Beldner in ihrer Kindheit erlebt?

    Sie wuchs in einer weißen Umgebung auf und hatte das Gefühl, sich anpassen zu müssen.

  • Wie reagierten Menschen auf Beldners Haar und Hautfarbe?

    Menschen fragten oft, wie sich ihre Locken anfühlen, und kommentierten ihre Erscheinung.

  • Was sagt Beldner über Rassismus in der Schweiz?

    Sie spricht darüber, dass Rassismus existiert und dass das Verleugnen dieser Realität problematisch ist.

  • Wie hat Beldner ihre Rassismuserfahrungen verarbeitet?

    Sie hat lange Zeit geschwiegen, aber nach den Ereignissen 2020 fühlt sie sich befähigt zu sprechen.

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    Noch heute fassen mir ab und zu Menschen in die Haare,
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    weil sie wissen möchten, wie sich solche Locken anfühlen.
  • 00:00:14
    Guten Tag, meine Damen und Herren,
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    ich begrüsse Sie zur Mittagsausgabe der "Tagesschau".
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    Heute ist es nicht mehr die Schokolade,
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    das getraut sich niemand mehr.
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    Aber es ist Latte macchiato oder Café mélange.
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    Das sagen Leute zu dir? - Ja.
  • 00:00:33
    Und was sagst du dann? - Nichts.
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    * Applaus *
  • 00:00:40
    Ich wollte den Rassismus eigentlich gar nicht sehen.
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    Ich wurde so erzogen ...
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    ... dass ich ihn teilweise gar nicht sah.
  • 00:00:52
    * Rhythmische Musik *
  • 00:00:55
    Angélique Beldner -
  • 00:00:57
    die erste schwarze News-Moderatorin des Schweizer Fernsehens.
  • 00:01:01
    Ihre Hautfarbe wollte sie nie zum Thema machen.
  • 00:01:04
    Doch dieser Sommer hat ihr Leben verändert.
  • 00:01:11
    MIT TELETEXT-UNTERTITELUNG
  • 00:01:27
    (Sprechchöre) Black lives matter! Black lives matter!
  • 00:01:32
    6. Juni 2020: Tausende von Menschen gehen in der Schweiz auf die Strasse
  • 00:01:37
    und protestieren gegen Rassismus im eigenen Land.
  • 00:01:42
    Angélique Beldner kommt in ein Dilemma.
  • 00:01:46
    Weil ich mir über all die Jahre
  • 00:01:50
    eine Strategie zurechtgelegt habe, die mir möglichst nicht wehtut.
  • 00:01:59
    Es zeigt sich daran,
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    dass ich praktisch nie über Rassismus gesprochen habe
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    und auch nicht darüber sprechen wollte.
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    Es zeigt sich daran, dass ich Rassismus entschuldigt habe,
  • 00:02:15
    dass ich z.B. gesagt habe, das sei alles nicht böse gemeint.
  • 00:02:20
    Ich war viel zu lange viel zu nett.
  • 00:02:27
    Und das hat sich diesen Sommer geändert.
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    Ich finde: Das muss jetzt aufhören.
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    Es ist Mitte August.
  • 00:02:39
    Angélique Beldner ist auf dem Weg ins Berner Oberland.
  • 00:02:44
    (Durchsage) Frutigen.
  • 00:02:49
    In Frutigen hat sie die ersten Jahre ihrer Kindheit verbracht.
  • 00:02:53
    Die Mutter war zu der Zeit Lehrerin im Dorf.
  • 00:02:56
    Sie unterstützt Angélique Beldner bei der Aufarbeitung ihrer Geschichte,
  • 00:03:00
    aber nicht vor der Kamera.
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    Jetzt geht sie zur Grosstante,
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    bei der sie damals zusammen mit ihrer Mutter gewohnt hat.
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    * Türsummer *
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    Ja, hallo.
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    Begrüssen wir uns so? * Kussgeräusche, Lachen *
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    Es ist halt etwas anders als sonst.
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    Grosstante Lydia Schlup und deren Tochter Béatrice gehörten
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    zu den engsten Bezugspersonen in Angéliques Beldners Kindheit.
  • 00:03:33
    Über Rassismus oder ihre Hautfarbe sprach sie mit ihnen noch nie.
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    Als ich zur Welt kam und ihr mich das erste Mal saht,
  • 00:03:45
    wie war das?
  • 00:03:47
    Dich hat man aufgenommen, wie du warst. Fertig.
  • 00:03:50
    Man machte sich keine Gedanken, du könntest evtl. anders aussehen
  • 00:03:54
    oder würdest nicht hierhergehören.
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    Du warst von Anfang an in die Familie integriert.
  • 00:04:00
    Wir nahmen das als selbstverständlich.
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    Du hast auch von Anfang an unsere Sprache gesprochen.
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    Das hat viel ausgemacht.
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    Du hast dich verhalten wie unsere Kinder und andere.
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    Das macht viel aus.
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    Du lagst friedlich und zufrieden in diesem weissen Bettchen.
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    Du warst nicht mal so mokkafarben, sage ich jetzt mal.
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    Aber plötzlich wurde die Haut dunkler,
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    und die Haare begannen sich zu krausen.
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    Seid ihr erschrocken?
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    Nein, wir kannten ja deinen Vater, haben ihn gesehen.
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    Deshalb war es keine Überraschung.
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    Dachtest du nicht, es wäre einfacher gewesen,
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    wenn dieses Mädchen so geblieben wäre?
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    Vielleicht wäre es für dich einfacher gewesen.
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    Aber mir hat es nichts ausgemacht.
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    Wohlbehütet sei sie aufgewachsen, sagt Angélique Beldner.
  • 00:04:54
    Zur alleinerziehenden Mutter mit dem schwarzen, unehelichen Kind
  • 00:04:59
    habe kaum jemand Fragen gestellt.
  • 00:05:05
    Die Familie war angesehen im Dorf.
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    Angélique Beldners Vater war weit weg.
  • 00:05:19
    Der Informatiker aus Paris und ihre Mutter
  • 00:05:22
    waren drei Jahre ein Paar.
  • 00:05:25
    Vor der Geburt der gemeinsamen Tochter
  • 00:05:28
    trennte sich die Mutter von ihm.
  • 00:05:34
    Wie wäre es gewesen oder was hätte sich geändert,
  • 00:05:37
    wenn mein Vater, der in Paris war und in Paris geblieben ist,
  • 00:05:42
    in die Schweiz gekommen wäre?
  • 00:05:44
    Wenn er da gewesen gewesen wäre, dann wäre es ähnlich gewesen,
  • 00:05:48
    wie man es jetzt erlebt, wenn Leute aus dem Ausland kommen.
  • 00:05:53
    Sei es aus Paris oder Eritrea.
  • 00:05:56
    Zuerst einmal stellt sich die Frage, ob der Mann arbeitet.
  • 00:06:00
    Das ist hier im Dorf schon sehr wichtig.
  • 00:06:03
    Gut, bei ihm wäre es wohl eher umgekehrt gewesen:
  • 00:06:06
    Deine Mutter hätte weiterhin gearbeitet
  • 00:06:09
    und er wäre Hausmann geworden.
  • 00:06:11
    Ihn hätten wir nicht auch noch aufgenommen.
  • 00:06:13
    Eine ganze Familie hätten wir nicht aufgenommen.
  • 00:06:17
    Inmitten einer weissen Umgebung wuchs Angélique Beldner auf.
  • 00:06:22
    Seit ihrer Kindheit stecke dieses Gefühl vom Sich-anpassen-Wollen
  • 00:06:27
    tief in ihr drin.
  • 00:06:29
    Dazugehören - zu einer weissen Mehrheit.
  • 00:06:34
    Wie habt ihr es so mit Begriffen?
  • 00:06:37
    Wie steht ihr zur Mohrenkopf-Debatte?
  • 00:06:42
    Das passt dir vielleicht nicht,
  • 00:06:44
    aber Mohrenköpfe sind für mich immer noch Mohrenköpfe.
  • 00:06:48
    Und sie werden das vorläufig auch bleiben.
  • 00:06:50
    Aber vielleicht ändere ich ja mal meine Meinung.
  • 00:06:53
    Weisst du, mir sagte man Mohrenkopf als Schimpfwort,
  • 00:06:57
    mir hat man das hinterhergerufen.
  • 00:06:59
    Ich reagiere deshalb vielleicht ein bisschen empfindlich, wenn man sagt:
  • 00:07:04
    "Ich nannte das schon immer so und werde dies auch weiterhin tun."
  • 00:07:08
    Verstehst du das, oder müsste ich mich ändern?
  • 00:07:11
    Ich verstehe deine Sichtweise, bleibe aber bei meiner Meinung.
  • 00:07:14
    Da wäre eine Anpassung unsererseits gefragt.
  • 00:07:17
    Das ist meine klare Meinung.
  • 00:07:20
    Man sollte mit der Sprache niemanden absichtlich verletzen.
  • 00:07:24
    Das finde ich nicht gut.
  • 00:07:26
    Man muss es erst mal einsehen und ändern wollen.
  • 00:07:29
    Man muss es erkennen.
  • 00:07:31
    Solange ich das Gefühl habe, es sei lustig ...
  • 00:07:34
    Es ist nicht so wichtig, warum gibt man dem diese Wichtigkeit?
  • 00:07:37
    Aber ich fand es schon als Kind nicht lustig,
  • 00:07:40
    und zwar ganz und gar nicht. - Echt? - Nein, gar nicht.
  • 00:07:44
    Und dann musste ich den schwarzen Mann spielen,
  • 00:07:47
    das fand ich auch nicht lustig.
  • 00:07:49
    Ja, das kann ich schon eher verstehen.
  • 00:07:51
    Und trotzdem: Es ist ein Spiel.
  • 00:07:54
    Ob man das jetzt alles auf sich beziehen will ...
  • 00:07:58
    Ich habe Zeit meines Lebens bessere Erfahrungen gemacht,
  • 00:08:02
    wenn ich solche Dinge nicht angesprochen habe.
  • 00:08:05
    Es ist für mich viel einfacher, den Mohrenkopf zu akzeptieren
  • 00:08:09
    und dich zu akzeptieren, wie du bist,
  • 00:08:11
    dass du das Mohrenkopf nennst, und mir zu sagen:
  • 00:08:15
    "Es hat mit mir nichts zu tun, ich nehme es nicht persönlich",
  • 00:08:19
    als eine solche Diskussion zu führen,
  • 00:08:21
    bei der ich erkenne, dass du einen Standpunkt hast,
  • 00:08:25
    von dem du nicht abweichst.
  • 00:08:27
    Es ist für mich die schwierigere Einsicht,
  • 00:08:30
    dass meine Mama Lily, die mich grossgezogen hat,
  • 00:08:35
    dieses Ding immer noch Mohrenkopf nennt.
  • 00:08:38
    Du bleibst beharrlich bei deinem Standpunkt.
  • 00:08:41
    Denk du nur, ich sei uneinsichtig.
  • 00:08:44
    Ich stehe dazu.
  • 00:08:46
    Ich will mein Mäntelchen nicht nach dem Wind hängen,
  • 00:08:49
    nur weil es jemand anderem nicht passt,
  • 00:08:52
    und dann meine Meinung ändern.
  • 00:08:58
    Ist es heute noch okay, Mohrenkopf zu sagen?
  • 00:09:01
    Oder gehört der Begriff dorthin, wo er herkam, nämlich ins 19. Jh.?
  • 00:09:07
    Eine Tradition verletzt und würdigt herab.
  • 00:09:11
    Das erstmals zu benennen, sei nicht einfach,
  • 00:09:14
    sagt Angélique Beldner.
  • 00:09:17
    Ein Problem ist natürlich,
  • 00:09:19
    dass ich dann als eine Person gelte, die ich nicht bin.
  • 00:09:25
    Z.B. als empfindlich.
  • 00:09:31
    Als jemand, der sich dauernd auflehnt,
  • 00:09:33
    eine Schwierige, eine Komplizierte.
  • 00:09:36
    Das sind alles Eigenschaften,
  • 00:09:40
    die ich eher als negativ empfinde.
  • 00:09:43
    So möchte ich nicht sein,
  • 00:09:45
    und ich behaupte auch, dass ich nicht so bin.
  • 00:09:50
    Und wenn ich jetzt aufstehe und sage,
  • 00:09:52
    dass ich dies und jenes nicht mehr will,
  • 00:09:55
    dann muss ich in Kauf nehmen,
  • 00:09:57
    dass mir diese Eigenschaften nachgesagt werden.
  • 00:10:01
    In ihrem Leben nahm sie bisher den für sie einfacheren Weg: schweigen.
  • 00:10:08
    Ich finde es schön,
  • 00:10:10
    dass man im Fernsehen auch Menschen wie dich zeigt.
  • 00:10:14
    Als ich dich das erste Mal in der 18-Uhr-"Tagesschau" gesehen habe,
  • 00:10:18
    waren deine Haare derart nach hinten frisiert,
  • 00:10:21
    dass ich dich fast nicht erkannt habe.
  • 00:10:24
    Ich fragte mich: "Was machen die nur mit dir?"
  • 00:10:27
    Ich bin es gewohnt, dass du Locken hast,
  • 00:10:30
    aber die Haare waren nach hinten frisiert.
  • 00:10:33
    Ich hatte das Gefühl, sie wollen dich nicht so, wie du bist.
  • 00:10:37
    Wolltest du dir das Haar nach hinten frisieren lassen?
  • 00:10:42
    Das ist eben genau der Punkt.
  • 00:10:45
    Ich hatte das Gefühl, es stehe mir gar nicht zu,
  • 00:10:49
    mir genau zu überlegen, was ich möchte.
  • 00:10:54
    Ich lasse mir sagen, was möglich ist.
  • 00:10:56
    Und wenn sie mir sagen, es sei nicht möglich, weil es nicht gut aussieht,
  • 00:11:01
    wegen des Lichts usw., dann glaube ich das.
  • 00:11:03
    Und da sind wir wieder bei der Geschichte von früher.
  • 00:11:06
    Möglichst anpassen, möglichst ...
  • 00:11:08
    Es soll stimmen.
  • 00:11:11
    Und bei dieser Geschichte findest du,
  • 00:11:13
    ich hätte aufstehen und sagen sollen:
  • 00:11:16
    "Hey, stopp, Moment!"
  • 00:11:18
    "Ich möchte das gerne anders." - Genau.
  • 00:11:21
    Man kann es ja anständig sagen.
  • 00:11:23
    Sie sollen es ausprobieren und die Reaktionen abwarten.
  • 00:11:27
    Aber so wurde ich nicht erzogen.
  • 00:11:29
    Darum brauchst du jetzt diesen Prozess, um zu wissen,
  • 00:11:32
    was du selber willst, und wo du stehst.
  • 00:11:35
    Genau. Ja.
  • 00:11:43
    Das ist die erste "Tagesschau" an diesem heissen Mittwoch.
  • 00:11:47
    Ich begrüsse Sie zur Sendung mit diesen Themen.
  • 00:11:51
    SRF-Chefstylistin Tatjana Kotoric ordnet den Auftritt ein.
  • 00:11:56
    Wie bei allen SRF-Moderatoren und -Moderatorinnen
  • 00:11:59
    wählten wir auch für Angélique bei ihrem Moderationsstart 2015
  • 00:12:03
    ein Styling, das zu den News passt: elegant und ausdrucksstark.
  • 00:12:07
    Unsere Stylingrichtlinien 2015 waren so,
  • 00:12:09
    dass die Kleider und die Haare elegant wirken,
  • 00:12:13
    aber durch Volumen oder Dominanz
  • 00:12:15
    nicht zu sehr vom Inhalt ablenken sollten.
  • 00:12:18
    Das war uns bei allen Moderatoren wichtig.
  • 00:12:21
    Das waren stets unsere Beurteilungskriterien.
  • 00:12:23
    Inzwischen ist die Businessmode viel lockerer.
  • 00:12:26
    Frauen tragen oft Seidenblusen mit Jupes oder Kleidern,
  • 00:12:30
    und auch die Haare dürfen lockerer getragen werden.
  • 00:12:34
    Fünf Jahre ist es her.
  • 00:12:36
    Heute trägt Angélique Beldner ihr Haar am Bildschirm auch offen.
  • 00:12:42
    Haar und Hautfarbe sind die offensichtlichen Merkmale,
  • 00:12:45
    die darauf schliessen lassen,
  • 00:12:47
    dass sie einen anderen kulturellen Hintergrund hat.
  • 00:12:51
    Doch damit liegt man bei ihr grundfalsch.
  • 00:12:55
    Schon als Kind
  • 00:12:57
    konnte ich die Frage nach meiner Herkunft nicht ausstehen.
  • 00:13:01
    Wenn jemand fragte, woher ich komme, antwortete ich stets: "Aus Bern."
  • 00:13:07
    Und wenn dann jemand nachfragte, woher ich wirklich komme,
  • 00:13:11
    antwortete ich: "Ich komme wirklich aus Bern."
  • 00:13:14
    Und wenn dann jemand nach meinen Wurzeln fragte,
  • 00:13:17
    antwortete ich nochmals: "Die sind in Bern."
  • 00:13:20
    Was wirklich wehtut:
  • 00:13:24
    Wenn man solche Fragen immer und immer wieder hört,
  • 00:13:27
    und zwar sehr früh in einem Gespräch,
  • 00:13:31
    dann empfinde ich das so, als würde man mir sagen:
  • 00:13:34
    "Du bist nicht Teil dessen, was wir hier haben."
  • 00:13:39
    Hoi, Tristan.
  • 00:13:41
    Mit SRF-Chefredaktor Tristan Brenn
  • 00:13:43
    will sie erstmals über eine Erfahrung im Fernsehen reden,
  • 00:13:47
    die mit ihrer Hautfarbe zu tun hat.
  • 00:13:50
    Als ich mich vor 15 Jahren erstmals für die "Tagesschau" bewarb,
  • 00:13:54
    sagte man mir, die Schweiz sei noch nicht so weit,
  • 00:13:57
    noch nicht bereit für eine dunkelhäutige News-Moderatorin.
  • 00:14:01
    Ich kann das fast nicht glauben.
  • 00:14:03
    Das ist nicht ewig her, das war vor 15 Jahren.
  • 00:14:07
    Wenn man hier im Haus das Gefühl gehabt hätte,
  • 00:14:12
    gewisse Leute könnten Anstoss nehmen
  • 00:14:15
    an einer Moderatorin mit einer anderen Hautfarbe,
  • 00:14:18
    hätte man den Schritt erst recht wagen und dich anstellen müssen.
  • 00:14:23
    Wurde dir das so als Begründung mitgeteilt? Oder wie war das damals?
  • 00:14:27
    Das hat man mir nicht direkt gesagt.
  • 00:14:30
    Direkt sagte man mir, es gäbe halt noch andere Gründe,
  • 00:14:33
    aber hintenherum habe ich davon erfahren.
  • 00:14:36
    Dann hast du nachgefragt, was die anderen Gründe seien,
  • 00:14:39
    und dann stellte sich heraus ... - Genau.
  • 00:14:42
    Ich bin sehr überrascht über eine solche Aussage,
  • 00:14:45
    über eine solche Wertung. Ich kann es mir nicht erklären.
  • 00:14:48
    Ich sage dir, was ich damals gedacht habe:
  • 00:14:52
    Ich fand es gar nicht so schlimm.
  • 00:14:54
    Fandest du es nicht so schlimm,
  • 00:14:56
    weil du dir solche Dinge gewohnt warst?
  • 00:14:58
    Ich war es gewohnt und verstand es auch.
  • 00:15:01
    Wenn man nicht weiss, wie das Land auf jemanden wie mich reagiert,
  • 00:15:05
    ist es vielleicht besser, wenn man es sein lässt.
  • 00:15:08
    Das ist ... Du hast so gedacht, ja.
  • 00:15:12
    Fernsehzuschauer und -zuschauerinnen, die sie als Mensch abwerten,
  • 00:15:17
    weil sie eine andere Hautfarbe hat, die gibt es.
  • 00:15:23
    Einige Zuschauer sind eindeutig rassistisch.
  • 00:15:26
    Die schreiben mir z.B., es reiche mit der Vernegerung.
  • 00:15:30
    Und dann gibt negative Kommentare,
  • 00:15:34
    von denen ich nicht eindeutig sagen kann,
  • 00:15:37
    ob sie etwas mit Rassismus zu tun haben.
  • 00:15:42
    Eine Frau schrieb mir z.B., ich soll das WC putzen gehen.
  • 00:15:45
    Dafür sei ich gut genug, sonst für gar nichts.
  • 00:15:49
    Die Kultur der Schweiz sei bedroht,
  • 00:15:51
    wenn mehr schwarze Menschen das öffentliche Bild prägen -
  • 00:15:55
    so eine Umfrage des Bundesamtes für Statistik aus dem Jahr 2017.
  • 00:16:01
    Guten Tag zusammen.
  • 00:16:04
    Wir sind zurück in Frutigen,
  • 00:16:06
    am Stammtisch des Restaurants Simplon.
  • 00:16:08
    Angélique Beldner stellt sich der Rassismusdiskussion.
  • 00:16:12
    Mich dünkt einfach das Wort Neger nicht unbedingt falsch bzw. schlimm.
  • 00:16:17
    Wäre ich dann ein Neger für Sie?
  • 00:16:21
    Ich weiss nicht, was schlimm daran ist,
  • 00:16:24
    wenn ich ihn Neger nenne.
  • 00:16:27
    Nicht irgendjemand, sondern ich: Bin ich ein Neger?
  • 00:16:32
    Ich glaube nicht. - Nein, nicht.
  • 00:16:35
    Und warum nicht?
  • 00:16:37
    Ein Neger ist für mich etwas ganz anderes.
  • 00:16:41
    Was denn? - Es ist auch nichts Schlimmes.
  • 00:16:44
    Was ist denn anders?
  • 00:16:46
    Dann bist du halt eine Negerin. Das ist auch nichts Schlimmes.
  • 00:16:50
    Wir nennen dich Neger, weil du schwarz bist.
  • 00:16:53
    Ja.
  • 00:16:54
    Wir nennen dich aber nicht so,
  • 00:16:56
    weil das für uns etwas Negatives ist.
  • 00:17:00
    Das ist der Ursprung.
  • 00:17:02
    Was war der schwarze Mann ursprünglich?
  • 00:17:05
    Das war der Sklave, das war der Nigger.
  • 00:17:09
    Ich würde sagen, daher kommt dieses Wort.
  • 00:17:12
    Genau, und was heisst das für Sie?
  • 00:17:14
    Dass Sie dieses Wort nicht verwenden?
  • 00:17:17
    Nein, sicher nicht.
  • 00:17:20
    Das war ein Sklave, nicht wahr?
  • 00:17:23
    Ich sagte nie Neger, weil es ein böses Wort ist.
  • 00:17:27
    Klar sagte man: "Du huere Neger." "Ich bin doch nicht dein Neger."
  • 00:17:31
    Und schon widersprichst du dir.
  • 00:17:33
    Schon widersprichst du dir. - Ja, das sagte man.
  • 00:17:36
    Eben, aus welchem Grund hast du es gesagt?
  • 00:17:39
    Darfst du nicht mehr machen - also hey, hallo?
  • 00:17:42
    Aus welchem Grund hast du es gesagt?
  • 00:17:45
    Weil er nicht gut gearbeitet hat.
  • 00:17:47
    Aber er hat ... - Ja.
  • 00:17:49
    Weil er ein fauler Kerl war? - Ja, genau. - Eine mistfaule Ratte.
  • 00:17:53
    Aber er hätte das dir ja vielleicht auch sagen können.
  • 00:17:57
    Das nicht gerade, aber ... - Du bist manchmal auch so.
  • 00:18:00
    Ja.
  • 00:18:02
    Eine Definition von Rassismus ist,
  • 00:18:05
    Menschen auf ihre Herkunft reduzieren,
  • 00:18:07
    ihnen kollektive Merkmale zuschreiben und sie deswegen herabsetzen.
  • 00:18:14
    Rassendiskriminierung kenne ich hier im Berner Oberland nicht.
  • 00:18:20
    Das ist ja umso besser.
  • 00:18:22
    Wir haben so viele Touristen.
  • 00:18:24
    Wir haben auch Schlitzaugen, wir haben Schwarze ...
  • 00:18:27
    Du bist eine schöne Brasilianerin, eben angebräunt.
  • 00:18:33
    Eine willkommene ...
  • 00:18:35
    Bei deiner Rasse glaube ich nicht,
  • 00:18:37
    dass jemand fragen würde: "Woher kommst du?"
  • 00:18:40
    Doch, das werde ich häufig gefragt. - Echt?
  • 00:18:43
    Z.B. komme ich auch nicht aus Brasilien.
  • 00:18:46
    Ja, aber vielleicht wollen sie auch fragen ...
  • 00:18:49
    Männlich, ja: "Ich hätte mit dir gerne Kinder."
  • 00:18:53
    Aha, du hast das Gefühl, das habe etwas damit zu tun.
  • 00:18:57
    Ja, eben, wir hätten schöne Kinder.
  • 00:19:00
    Aha.
  • 00:19:03
    Bleib, wie du bist. - Alles Gute, danke.
  • 00:19:05
    Du würdest dich nur verwässern.
  • 00:19:13
    Das ist schlimm.
  • 00:19:15
    Er kommt mir auch viel zu nahe, nur schon körperlich.
  • 00:19:19
    Ich hatte schon lange keine Nackenschmerzen mehr,
  • 00:19:22
    aber jetzt habe ich welche.
  • 00:19:24
    Schon als Kind hatte ich das Gefühl, es fehle die Distanz.
  • 00:19:30
    Man spürt die Distanz nicht zu mir.
  • 00:19:34
    Oder es sei nicht nötig, man dürfe mich doch berühren.
  • 00:19:37
    Es sei ja interessant, gut gemeint: "Bist ja ein Herziges."
  • 00:19:48
    Wie gehen wir als Gesellschaft mit Rassismus um?
  • 00:19:51
    Darüber müssen wir reden.
  • 00:19:53
    Noch den Gedanken fertigmachen, dann Sie.
  • 00:19:55
    Denn auch wenn man nur Persons of Color einlädt,
  • 00:19:58
    gibt es verschiedene Meinungen.
  • 00:20:00
    Frau Binkert denkt ganz bestimmt nicht so wie ich, und du auch nicht.
  • 00:20:05
    Und das wäre schön gewesen.
  • 00:20:07
    Bei einem Titel wie "Jetzt sprechen die Schwarzen"
  • 00:20:10
    sollte man auch Schwarze einladen, es ist 50:50.
  • 00:20:13
    Diese Sendung wurde heftig kritisiert.
  • 00:20:15
    Von Debakel und Fiasko war die Rede,
  • 00:20:18
    weit weg von einer konstruktiven Rassismusdiskussion.
  • 00:20:21
    Der Auftritt von Angela Addo war für Angélique Beldner wegweisend.
  • 00:20:26
    Sie spricht mir aus dem Herzen.
  • 00:20:28
    Ich verstehe alles, was sie sagt.
  • 00:20:31
    Ich weiss, was sie meint, aber es kommt bei den anderen nicht an.
  • 00:20:36
    Ich wüsste nicht, was sie anders hätte machen müssen,
  • 00:20:40
    damit es ankommt.
  • 00:20:42
    Und ich dachte: "Deshalb sage ich nichts."
  • 00:20:46
    Genau darum sage ich nichts,
  • 00:20:48
    und sie lief jetzt quasi ins offene Messer.
  • 00:20:51
    Aber gleichzeitig dachte ich:
  • 00:20:53
    "Sie läuft auch für mich ins offene Messer."
  • 00:20:56
    Denn es geht nicht nur um sie.
  • 00:20:58
    Es geht um uns.
  • 00:21:01
    Um uns Schwarze.
  • 00:21:04
    Zum ersten Mal sagte ich selber zu mir:
  • 00:21:08
    "Und ich gehöre da dazu. Ich bin schwarz."
  • 00:21:13
    Angélique Beldner trifft die Black- Lives-Matter-Aktivistin Angela Addo
  • 00:21:18
    bei einem Konzert in Zürich.
  • 00:21:21
    (Jazzgesang) # Stormy weather.
  • 00:21:24
    # Love me or leave me, let go.
  • 00:21:27
    # Say do, say don't ...
  • 00:21:35
    # Stormy weather.
  • 00:21:39
    Sie will mit Angela Addo über die Sendung sprechen
  • 00:21:43
    und welche Folgen diese für sie hatte.
  • 00:21:48
    Es war für mich sehr brutal, dort zu sitzen.
  • 00:21:53
    Ich kann mich noch sehr gut an die erste Frage erinnern,
  • 00:21:58
    die an Herrn Foley ging: Gibt es Rassismus in der Schweiz?
  • 00:22:04
    Mir fiel die Kinnlade runter.
  • 00:22:06
    Dass man so was überhaupt noch fragt?
  • 00:22:08
    Da dachte ich wirklich ...
  • 00:22:11
    Ich weiss noch,
  • 00:22:13
    wie ich meine Hände zusammenfaltete und dachte:
  • 00:22:16
    "Soll ich jetzt aufstehen, soll ich einfach aufstehen?"
  • 00:22:20
    Aber ich habe es durchgezogen, worüber ich echt froh bin,
  • 00:22:24
    denn Hunderte von Leuten, die ich gar nicht kenne,
  • 00:22:29
    standen nach der Sendung hinter mir.
  • 00:22:32
    Das war krass.
  • 00:22:34
    Ich meine, ich kriege auch viele Hassnachrichten.
  • 00:22:39
    Aber das bestätigt genau, dass das, was ich mache, wichtig ist.
  • 00:22:43
    Und die erste "Arena"-Sendung hat ja genau das widergespiegelt,
  • 00:22:48
    was uns im Alltag als schwarze Menschen widerfährt:
  • 00:22:53
    Man verleugnet und vertuscht es.
  • 00:22:57
    Das Wort Gaslighting ist ein so wichtiges Wort,
  • 00:23:02
    weil man im Alltag immer wieder erlebt,
  • 00:23:06
    dass die Gefühle, die man wahrnimmt, nicht ernst genommen werden,
  • 00:23:11
    und dass gesagt wird: "Das gibt es nicht."
  • 00:23:15
    Rassismuserfahrungen absprechen -
  • 00:23:17
    die beiden Frauen haben es zur Genüge erlebt.
  • 00:23:23
    (Durchsage) Paris, Gare de Lyon, unser Zielbahnhof.
  • 00:23:26
    Es ist September.
  • 00:23:28
    Angélique Beldner auf dem Weg zu ihrem Vater.
  • 00:23:34
    Mit 20 Jahren hat sie ihren leib- lichen Vater zum ersten Mal gesehen.
  • 00:23:41
    Man hat mir gesagt, er sei vielleicht in Paris.
  • 00:23:44
    Man sagte mir, woher er kommt.
  • 00:23:47
    Und meine Mutter hat mir mal ein paar wenige Sachen geschenkt,
  • 00:23:51
    die sie von ihm noch hatte.
  • 00:23:53
    Aber ansonsten hat mein Vater und die Geschichte,
  • 00:23:58
    die mit ihm und seiner Herkunft verbunden ist ...
  • 00:24:02
    Davon habe ich nie etwas mitgekriegt.
  • 00:24:05
    * Rhythmische Musik *
  • 00:24:07
    In Paris hat sie drei Geschwister.
  • 00:24:10
    Ihr Vater kommt ursprünglich
  • 00:24:12
    aus der ehemaligen französischen Kolonie Benin.
  • 00:24:16
    Der Kontakt ist lose.
  • 00:24:18
    Sie habe die schwarze Familie auf Distanz gehalten, sagt sie.
  • 00:24:31
    Bonjour. - Bonjour, Albert.
  • 00:24:34
    Sei willkommen bei dir zu Hause.
  • 00:24:37
    Geht es gut? - Ja.
  • 00:24:39
    Und den Kindern? - Sehr gut.
  • 00:24:42
    Ich freue mich, dich zu sehen. - Ja, ich mich auch.
  • 00:24:49
    Es ist lange, lange her.
  • 00:24:52
    Vor 24 Jahren haben wir uns zum ersten Mal gesehen.
  • 00:24:57
    Ich war damals 20.
  • 00:25:00
    Du warst 20, damals am Gare de Lyon.
  • 00:25:04
    Gare de Lyon, du erinnerst dich?
  • 00:25:06
    Ja.
  • 00:25:07
    Wie war das für dich damals?
  • 00:25:09
    Als ich dich sah, war ich glücklich, überglücklich.
  • 00:25:13
    Es war ein Wunder.
  • 00:25:17
    Du bist meine Tochter, meine erste Tochter.
  • 00:25:22
    Ich habe diesen Sommer gemerkt,
  • 00:25:26
    dass ich endlich auch meine andere Seite,
  • 00:25:29
    meine schwarze Seite annehmen und darüber sprechen muss.
  • 00:25:34
    Kannst du das verstehen?
  • 00:25:36
    Ja, ich verstehe das.
  • 00:25:39
    Als du geboren wurdest, war ich nicht an deiner Seite.
  • 00:25:43
    Ich war weit weg.
  • 00:25:46
    Oui.
  • 00:25:49
    Ich weiss, du hast darunter gelitten.
  • 00:25:55
    Ich war nicht da für dich,
  • 00:25:59
    meine Anwesenheit hat dir gefehlt.
  • 00:26:09
    Über Rassismus will Angélique Beldners Vater
  • 00:26:12
    an diesem Tag mit ihr nicht sprechen.
  • 00:26:15
    Für Dinge, die ihn belasten würden, gehe er in die Kirche.
  • 00:26:23
    # Réjouis-toi, Marie, toute aimée de Dieu.
  • 00:26:29
    # Chez vous il revient.
  • 00:26:33
    # Ave, Ave, Ave Maria.
  • 00:26:43
    # Ave, Ave, Ave Maria.
  • 00:26:55
    Voilà. Merci.
  • 00:27:05
    Am nächsten Tag ist die Schwester zu Hause.
  • 00:27:08
    Mit ihr spricht Angélique Beldner das Thema Rassismus an.
  • 00:27:12
    Hast du Rassismus erlebt?
  • 00:27:14
    Natürlich.
  • 00:27:16
    Und du hast ihn durch mich erlebt, damals in der Sekundarschule.
  • 00:27:22
    (Albert) Ja, in der Sekundarschule hast du gelitten.
  • 00:27:26
    Ich kann mich nicht mehr an genaue Worte erinnern.
  • 00:27:31
    Aber es war, weil ich schwarz bin.
  • 00:27:37
    C'était parce que j'étais noire.
  • 00:27:40
    Was hast du gedacht?
  • 00:27:42
    Wie war das für dich?
  • 00:27:44
    Es war hart. - Das tut weh.
  • 00:27:47
    Es tut weh.
  • 00:27:57
    Man fühlt sich allein und findet keine Worte, um sich zu verteidigen.
  • 00:28:05
    Dieses Thema anzusprechen ...
  • 00:28:13
    Er geht.
  • 00:28:15
    Wir werden ihn fragen, warum er ausgerechnet jetzt geht.
  • 00:28:19
    Hast du mit ihm darüber gesprochen?
  • 00:28:21
    Nein, wir haben noch nie darüber gesprochen.
  • 00:28:24
    Hat er Angst oder will er es nicht glauben?
  • 00:28:27
    Doch, er glaubt es.
  • 00:28:29
    Er hat ja damals in der Schule interveniert.
  • 00:28:34
    Aber ich glaube, es ist auch für ihn schwierig.
  • 00:28:37
    Es ist einfacher, alles zur Seite zu schieben und so zu tun,
  • 00:28:41
    als ginge alles gut,
  • 00:28:44
    als würde Rassismus nicht existieren.
  • 00:28:47
    Wenn man nicht darüber spricht, ist es, als wäre es nicht passiert.
  • 00:28:56
    Ce n'est pas si simple. - Oui.
  • 00:28:59
    Aber warum hast du nicht darüber gesprochen?
  • 00:29:05
    Einmal habe ich es erzählt und dann ...
  • 00:29:09
    Ich weiss nicht,
  • 00:29:11
    hat man mir die Möglichkeit gegeben, wirklich darüber zu reden?
  • 00:29:17
    Danke.
  • 00:29:19
    Es war vielleicht auch der Wunsch, mich integrieren zu wollen ...
  • 00:29:27
    ... und diesen Gefühlen gar kein Gewicht zu geben.
  • 00:29:31
    Dann geht es vorbei.
  • 00:29:34
    Warum bist du rausgegangen, Albert?
  • 00:29:36
    Ich ging etwas holen, damit ich es nicht vergesse.
  • 00:29:39
    Für deine Heimreise.
  • 00:29:45
    Und wie ist es heute, ist es anders?
  • 00:29:50
    Mit dem Rassismus? - Ja.
  • 00:29:53
    Ist es besser oder ...
  • 00:29:56
    Es ist immer noch da.
  • 00:29:59
    Mehr oder weniger.
  • 00:30:01
    Ob mehr oder weniger, es ist da.
  • 00:30:04
    Ich war z.B. kürzlich mit einer Reinigungskraft
  • 00:30:07
    auf der Pflegestation.
  • 00:30:09
    Ich bin schwarz, sie ist weiss.
  • 00:30:11
    Die Angehörigen, die sich informieren wollten,
  • 00:30:15
    haben sich aber nicht an mich, sondern an die weisse Frau gewandt.
  • 00:30:20
    Ich verstehe.
  • 00:30:23
    Im Kopf der Menschen sitzt diese Hierarchie einfach fest:
  • 00:30:27
    Der schwarze Mensch bleibt minderwertig.
  • 00:30:30
    Oui.
  • 00:30:32
    Damals ... - Ja.
  • 00:30:34
    Als ich mit deiner Mutter zusammen war,
  • 00:30:37
    gab es nicht viele Weisse,
  • 00:30:39
    die mit einem Schwarzen ausgegangen wären.
  • 00:30:42
    Deine Mutter hat das gemacht.
  • 00:30:44
    Die Tatsache, dass sie das gemacht hat,
  • 00:30:47
    machte sie zu einer Kämpferin gegen den Rassismus.
  • 00:30:50
    Diese Trennung von Schwarzen und Weissen, das wollte sie nicht.
  • 00:30:57
    Ja, ja, ja. Das ist gut. - Ja, das ist gut.
  • 00:31:00
    Das ist gut, aber man muss auch über den Rassismus sprechen.
  • 00:31:05
    Ja.
  • 00:31:06
    Du sprichst aber nur über ...
  • 00:31:12
    ... über die guten Sachen.
  • 00:31:14
    Die positiven Sachen? Ja.
  • 00:31:16
    Aber es gibt auch die negativen Sachen.
  • 00:31:19
    Ja, die gibt es immer.
  • 00:31:21
    Wir müssen darüber sprechen, das ist wichtig.
  • 00:31:24
    Ja, damit es aufhört, damit es weniger wird.
  • 00:31:27
    Ja, da bin ich voll und ganz mit dir einverstanden.
  • 00:31:30
    100 % einverstanden.
  • 00:31:36
    * Helle, kristallene Klänge *
  • 00:31:41
    (Niemals hätte ich gedacht, dass diese Reise so intensiv wird.)
  • 00:31:55
    Albert, au revoir. - Au revoir, ma fille.
  • 00:31:58
    Merci. - Merci beaucoup.
  • 00:32:01
    À bientôt.
  • 00:32:02
    (Für mich ist es erschreckend, zu sehen,
  • 00:32:05
    dass meine schwarze Familie dieselbe Strategie wählte wie ich.)
  • 00:32:14
    (Und wie eigentlich auch meine weisse Familie.)
  • 00:32:19
    (Dieser Sommer zeigte mir:
  • 00:32:21
    Über Rassismus zu sprechen, ist schwierig ...
  • 00:32:25
    ... aber schweigen ist für mich definitiv keine Option mehr.)
  • 00:32:32
    SWISS TXT AG / Access Services Philipp Schlatter - 2020
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